Wenn nur wenige E-Autos verkauft werden, wird es teuer

In einem Bericht zum Automarkt schreibt Spiegel Online vom 29.12.2019 unter der Überschrift „2020 könnte zum Desaster werden“, dass in einer Simulation die das CAR (Center of Automotive Research) der Universität Duisburg-Essen errechnet hat, welches Ausmaß die Strafzahlungen annehmen könnten, wenn 2020 keine batterieelektrischen Fahrzeuge auf den Markt kämen: Für die BMW Group ermittelte das CAR in diesem Fall Kosten von rund 1,09 Milliarden Euro, für Mercedes und Smart 1,24 Milliarden Euro, für den Volkswagen-Konzern 3,98 Milliarden Euro. Auf null gedrückt werden könnten die Strafzahlungen wiederum, wenn BMW 2020 auf rund 93.000 Neuzulassungen von E-Fahrzeugen käme, Mercedes-Smart auf 101.000 und die VW-Gruppe auf 347.000. Die Analyse stammt zwar von 2018, doch die Größenordnung sei nach wie vor korrekt, versichert das CAR. Die Summen würden aufgrund der nachlassenden Diesel-Verkäufe aktuell eher noch höher ausfallen.

Den Grenzwert einzuhalten, wird also eine Mammutaufgabe. Auf die Frage, ob die Hersteller sie lösen können, antwortet der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA), es werde weiterhin das Erreichen des 95-Gramm-Ziel angestrebt. Der entscheidende Hebel dabei sei – neben einer Verbesserung der Effizienz von Verbrennungsmotoren – der „schnelle Markthochlauf der Elektromobilität“, der ab sofort beginne. Das klingt nach „wir schaffen das“ – doch ganz so einfach wird es wohl nicht.

Wird der Grenzwert verfehlt, wäre das auch ein Imageverlust

„Wenn ein Hersteller den vorgegebenen Grenzwert nicht einhält, hat er ein Problem“, sagt Automobilexperte Bratzel in dem Bericht von Spiegel Online. Genauer gesagt sogar zwei Probleme: die Strafzahlung – und den Imageverlust. Um beides zu vermeiden oder zumindest so gering wie möglich zu halten – „müssen Elektrofahrzeuge zugelassen werden“, sagt Bratzel. Denn E-Fahrzeuge (und alle anderen neu zugelassenen Modelle mit einem CO2-Ausstoß von weniger als 50 g/km) dürfen 2020 doppelt angerechnet werden.

In der Theorie ist die Lage damit klar: Möglichst viele Elektroautos verringern den CO2-Flottenausstoß eines Herstellers und erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit, dass der Grenzwert eingehalten wird – und damit Strafzahlungen entfallen. In der Praxis gibt es jedoch zwei Unwägbarkeiten.

Können die Hersteller überhaupt ausreichend E-Autos liefern?

Die erste betrifft die Hersteller selbst: Können sie überhaupt E-Fahrzeuge in ausreichender Zahl produzieren? Mercedes etwa gibt für den Elektro-SUV EQC aktuell eine Lieferzeit von vier bis sechs Monaten an. Audi teilt auf Nachfrage mit, vom Elektro-SUV E-Tron Quattro seien weltweit bereits 20.000 Exemplare ausgeliefert worden, die Wartezeit auf ein Modell betrage derzeit mindestens vier Monate. Und auch beim Porsche Taycan ist offenbar Geduld gefragt. Während die Zentrale in Zuffenhausen versichert, der elektrische Luxussportwagen werde ab dem ersten Quartal 2020 ausgeliefert, kursieren in Händlerkreisen sehr viel spätere Termine.

Die zweite Unwägbarkeit: Wie werden die Kunden reagieren? Wie werden aus gebauten E-Autos verkaufte und neu zugelassene E-Autos? „Die Hersteller geben den Druck, diese Fahrzeuge auf die Straßen zu bringen, an die Händler weiter. Die sollen das hinkriegen“, sagt Bratzel. Die Fachzeitung „Automobilwoche“ berichtete kürzlich unter der Überschrift „Hersteller knebeln Händler“ von drastischen Verkaufsvorgaben für E-Autos und von Sanktionen bei Nichterfüllung der geforderten Quoten.

Die Situation war seit 2009 klar – trotzdem herrscht nun Hektik

„Falls Autohändler die geforderten Elektroauto-Quoten der Hersteller nicht erfüllen können, könnte das Jahr 2020 für sie zum Desaster werden. Das ist eine existenzielle Frage“, sagt Thomas Peckruhn, Vizepräsident des ZDK (Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe). Bei den Bonussystemen, wie sie bislang von Audi und dem PSA-Konzern (Citroën, DS, Opel, Peugeot) bekannt sind, müssen Händler eine bestimmte Anzahl an E-Fahrzeugen verkaufen, ehe sie einen Bonus erhalten. Die Bonifikation jedoch ist für viele Betriebe laut Peckruhn entscheidend für das wirtschaftliche Überleben.